Sehr geehrter Herr Bürgermeister Horndasch,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Marktgemeinderates,
mit diesem Schreiben stellen die beiden Fraktionen der FW und des ABF, vertreten durch Ihre Fraktionssprecher, zwei Anträge zum Thema
• Zulässigkeit des Bürgerbegehrens „Nein zu Amazon und P3 Logistic Parks“
• Eventuelles Ratsbegehren für die Durchführung eines neuerlichen Bürgerentscheids im Falle der Zulässigkeit
des Bürgerbegehrens „Nein zu Amazon und P3 Logistic Parks“
Aufgrund diverser Zeitungsberichte, Leserbriefe, Fernsehberichte und umgehender Unterschriftslisten rechnen wir damit, dass in Kürze die Einreichung des Bürgerbegehrens: „Nein zu Amazon und P3
Logistics“ erfolgen wird.
Erneut wird mit einem Bürgerbegehren eine weitere Verzögerung der Ausweisung unserer gewerblichen Flächen provoziert, Verwirrung gestiftet und die Spaltung in der Bevölkerung vorangetrieben.
Wir wollen Allersberg voranbringen und sehen daher eine frühzeitige Reaktion des Gemeinderats als notwendig an.
Der vorherige Gemeinderat hat in den letzten Jahren eine Vielzahl von Entscheidungen getroffen, die auf die gleichzeitige und schnellstmögliche Ausweisung, Erschließung und Vermarktung der Gebiete
West 1 und West 2 zielten.
Durch die Stellungnahmen der Fachbehörden wurde schnell deutlich, dass West 1 als nicht angebundener Standort nur über einen Ausnahmetatbestand nach dem Landesentwicklungsplan verwirklicht werden
kann.
Daher traf noch der frühere Gemeinderat die Entscheidung für ein „Sondergebiet West I“ und den Ausnahmetatbestand „Logistik“ gemäß Landesentwicklungsplan.
Im letzten Bürgerentscheid vom 17.05.2020 hat eine breite Mehrheit die Zielsetzung des Gemeinderats (Gebiet mit maximaler Größe) ausdrücklich bestätigt.
Die Initiative „Lebenswertes Allersberg“ mit maximal 8 ha erhielt keine Mehrheit.
Dabei ging es um Fragen der Größe der zu entwickelnden Gebiete. Bei keiner der beiden Fragestellungen stand am 17.05.2020 zur Abstimmung, welche Unternehmen konkret angesiedelt werden sollen oder
nicht.
An die demokratisch getroffenen Entscheidungen des alten Gemeinderats, aber vor allem unserer Bürger im Bürgerentscheid sehen wir uns, die Gemeinderäte der FW und des ABF, und den ganzen Gemeinderat
gebunden.
Für unseren Ort halten wir es deshalb für schädlich und undemokratisch, wenn getroffene Mehrheitsentscheidungen nicht akzeptiert werden.
Das neuerliche Begehren ist aus unserer Sicht die Neuauflage der bereits abgelehnten Versuche (zuletzt im Bürgerbegehren Lebenswertes Allersberg) die Ausweisung der gewerblichen Gebiete auf längere
Zeit zu verschleppen, indem wir wieder von vorne anfangen, oder deren Ausweisung gänzlich zu verhindern. Erneut wird dabei der Eindruck erweckt, als Bürger stimme man über die Ansiedlung von
P3/Amazon ab, während man tatsächlich über die Bauleitplanung (Ausweisung Sondergebiet) abstimmt.
Die Überschrift des Begehrens suggeriert, man würde mit seiner Ja oder Nein Stimme über die Ansiedlung von Amazon und (!) P 3 Logistics abstimmen. Dies verstärken auch die 8 Begründungen, die sich
praktisch ausnahmslos gegen das Unternehmen richten und mit dem Satz enden „das ist die letzte Chance, Amazon/P3 zu verhindern“.
Die mit Ja oder Nein zu beantwortende Frage lautet dann jedoch:
„Sind Sie dafür, dass auf den geplanten gewerblichen Flächen „Allersberg West I und West II“ ein Sondergebiet Logistik oder Gebiet für Logistiknutzung ausgewiesen wird, so dass sich Amazon , P3
Logistic Parks oder andere Logistikunternehmen ansiedeln können?“
Dies ist eine Frage der Bauleitplanung, nicht der Ansiedlung von konkreten Firmen.
Die Begründung „...so dass sich Amazon , P3 Logistic Parks oder andere Logistikunternehmen ansiedeln können“ macht die Verwirrung komplett. Wofür oder wogegen unterschreibt man tatsächlich?
Es geht offensichtlich gegen die Ansiedlung jeglicher Logistikunternehmen in West 1 und West 2!
Die Frage über die eigentlichen Ziele der Initiatoren, über die tatsächliche Sachlage und vor allem über die Konsequenzen der Abstimmung (Ja/ Nein) bleiben offen.
Als mögliche Ziele des Begehrens kann der Bürger bei seiner Ja/Nein Entscheidung sich verschiedene aussuchen:
- Die Ansiedlung von Amazon und P3 Logistic Parks zu verhindern
- Die Ansiedlung jeglicher Logistikunternehmen zu verhindern
- Die Ausweisung von West 1 und West 2 als Sondergebiet Logistik zu verhindern.
Je nachdem wie man es liest, könnten also unterschiedliche Zielsetzungen herauskommen.
Unabhängig von der unklaren Formulierung wird argumentiert, dass sich Amazon, P3 Logistics und andere Logistikunternehmen in West 1 und West 2 dann nicht ansiedeln könnten, wenn man die gestellte
Frage mit „Nein“ beantworten würde.
Aber selbst das ist eine falsche Information. Die Ansiedlung von Logistikunternehmen, seien es Speditionen oder Verteilzentren sind grundsätzlich in jedem Gewerbegebiet möglich. Es braucht hierfür
kein „Sondergebiet Logistik“! Für West 2 als allgemeines, angebundenes Gewerbegebiet gibt es also keine offenen Fragen.
Einen Ansatz, in welcher Form das Gebiet West 1 durchführbar wäre, findet man nicht.
Es wird offensichtlich ganz bewusst im gesamten Bürgerbegehren kein Wort auf das Thema „Sondergebiet Logistik“ eingegangen. Die zugrunde liegende Rechtslage (LEP) und damit die
Abwägungsentscheidungen, die der Gemeinderat zu treffen hatte, werden nicht berücksichtigt. So wird weiter der Eindruck erweckt, der Gemeinderat würde in West I Logistik bevorzugen, obwohl er die
Möglichkeit zur Ansiedlung anderer mittelständischer Betriebe hätte. Das Gebiet West 1 wäre nicht mehr möglich und die Gemeinde bliebe auf den gekauften Grundstücken sitzen mit verheerendem Schaden
für uns alle.
Aus unserer Sicht wird darüber hinaus fälschlich West 1 und West 2 als Sondergebiet Logistik gekoppelt.
Es wird hier der Eindruck erweckt, die bisherigen Planungen, die bisherige Beschlusslage und der bindende Bürgerentscheid sähen ein Sondergebiet Logistik für West 2 vor – was jetzt mit dem neuen
Bürgerbegehren verhindern werden müsste. Das entspricht nicht der Wahrheit!
Im Ergebnis wird hier von der Bürgerinitiative versucht, durch die Vermischung zweier Sachverhalte die Bürger zu einer Entscheidung zwischen folgenden Alternativen zu zwingen:
- (Ja) ich bin dafür, dass auf den Flächen West 1 und West 2 ein Sondergebiet Logistik ausgewiesen wird.
- (Nein) ich bin nicht dafür, dass in West 1 und West 2 ein Sondergebiet Logistik ausgewiesen wird.
Was ist die Motivation hinter dieser Fragestellung?
Niemand im Ort möchte die Ausweisung von West 2 als Sondergebiet Logistik. Daher muss jeder die Frage mit „Nein“ beantworten. Auch jene Mehrheit, die am 17.05.2020 für das Sondergebiet West 1 und das
Gewerbegebiet West 2 gestimmt hatte. Aus unserer Sicht entspricht dies weniger einer demokratischen Abstimmung als vielmehr einer Erpressung der Wähler.
Es bleiben weitere offene Fragen:
Wenn sich die Wähler tatsächlich mehrheitlich für „Nein“ entscheiden sollten, welche Bindungswirkung ergibt sich aus dieser Abstimmung für den Gemeinderat?
Oder wenn sich die Wähler mehrheitlich für „Ja“ entscheiden sollten, muss dann zwingend aus West 1 und 2 ein Sondergebiet Logistik gemacht werden?
Nachdem Amazon/P3 zwar zum Thema, aber nicht zum Abstimmungsgegenstand gemacht wird: Wann folgt dann das nächste Bürgerbegehren?
Daraus ergibt sich für uns:
Bürgerentscheide sind für die Entscheidung über die Vergabe oder den Ausschluss von Unternehmen kein geeignetes Mittel. Die Beratungen über Grundstücksverhandlungen, Steuersachen, usw. sind laut
Gemeindeordnung
nichtöffentlich zu führen. Aussagen wie zum Beispiel „nachhaltig wirtschaftende Unternehmen“ sind zu allgemein gehalten. Aber nur wer die Alternativen und Angebote der übrigen Interessenten kennt,
kann eine gute Entscheidung treffen.
Wir halten dieses Bürgerbegehren aus den genannten, aber auch aus weiteren Gründen für nicht zulässig, den Interessen unseres Ortes zuwiderlaufend und moralisch fragwürdig. Wir fordern alle
Beteiligten, seien es die gesetzlichen Vertreter oder die Unterschriftensammler bzw. Unterschreibenden, auf, sich hiervon öffentlich zu distanzieren, das Begehren nicht einzureichen oder das Begehren
bzw. die Unterschriften darunter zurück zu ziehen.
Für den Fall, dass das Bürgerbegehren in dieser Form eingereicht wird, stellen wir bereits jetzt den Antrag, es gründlich zu prüfen und dann als unzulässig zurückzuweisen.
Für den Fall, dass dieses Bürgerbegehren dennoch zugelassen werden sollte, stellen wir vorsorglich den Antrag im Gemeinderat, ein sogenanntes Ratsbegehren zu beschließen.
Dieses kann dann im Falle einer Abstimmung mitsamt einer Stichfrage neben dem aktuellen Bürgerbegehren zur Abstimmung gestellt werden.
In der Begründung des Ratsbegehrens sollen die hier geschilderten Konsequenzen und Problemstellungen des Bürgerbegehrens „Nein zu Amazon und P3 Logistic Parcs“ geschildert werden.
Dieses Ratsbegehren muss inhaltlich der von der Mehrheit der Bürger getroffenen Entscheidung vom 17.05.2020 entsprechen und soll den Allersberger Bürgern eine verantwortbare Entscheidungsalternative
bieten.
Gabriele Sossau
Willibald Harrer
Fraktionssprecherin ABF/ Fraktionssprecher Freie Wähler